Die folgenden Assoziationen zum Thema „Versöhnung“ stellt Beate Bleck zur Verfügung:
Seit Wochen bin ich durch eine Fuß-Operation in meinen äußeren Bewegungs-möglichkeiten sehr eingeschränkt und habe dies als Einladung in ein „alltags-exercitium“ erlebt: im (Fast)-Nichts-Tun-Können bin ich aufmerksam geblieben auf die inneren Be- wegungen, die durch die Ereignisse geschahen, die auf mich zukamen und die Verbin- dungen, die sich einstellten zur ignatianischen Exerzitienspiritualität und zu einigen der Anregungen des Delegiertentreffens. Vier „Geschichten“ aus der geschenkten Fülle dieser äußerlich bewegungsarmen Zeit, teile ich gerne mit den Lesenden! (und stelle einige Links zum weiteren Suchen und Finden zur Verfügung!)
Mein Blick aus dem Krankenzimmer-fenster am frühen Sonntagmorgen trifft auf die hellrosa-zartgelbe Ahnung des Morgenrots unter dem kühlen Winterhimmel, schwingende Rauch-Geister aus Kaminen, fast witzig gestrichelte Dächerkonturen, und – das Bild wird lebendig – ein Vogelpaar umkreist den Kirchturm. Einige Stunden später sagt die Kommunionhelferin, die aus einem Gottesdienst dieser Kirche kommt: „da haben Sie wirklich einen schönen Blick“. Ja, da bin ich wirklich in einen schönen Blick eingetaucht und mir kommen einige Sätze von Thomas Merton in den Sinn, der ein solch ge–stilltes Schauen in die poetische Sprache der Weisheit fasst: „there is in all visible things an invisible fecundity, a dimmed light, a meek namelessness, a hidden wholeness….“ Der gesamte Text ‚hagia sophia‘ ist zu finden unter http://www.goodnews.ie/wisdomlineoct2011.shtml
Marie-Emmanuelle aus Paris schickt eine Einladung zu dem alle vier Jahre stattfindenen Mitgliedertreffen der französischen GCL – sie bitten Menschen aus europäischen wie außereuropäischen Ländern als Gäste dazu. Diese herzlich ausgesprochene Gast- freundschaft der Franzosen bewegt mich, und ich beginne die GCL als ein Salzkörnchen zu sehen, das europäische Verständigungs– und Verbundenheitsprozesse zu würzen vermag. Mir fallen die ersten Worte aus der „Betrachtung zur Menschwerdung“ ein – Exerzitienbuch 102ff. – I try to enter into the vision of god – the mystery of divinity–… looking upon our world, men and women being born and being laid to rest… the happy and the sad… so many undernourished, sick and dying… so many struggling with life…
I can hear what the divine Persons are saying „let us work the redemption of the whole human race – let us respond to the groaming of all creation“….
Ja – ich „trete ein“ in diesen weiten Blick, der allen Menschen gilt – in diese Freude an der Vielfalt, in der sich alles Lebendige ausprägt – in diese Barmherzigkeit angesichts von Not und Schmerz und in den Wunsch, Er-Lösung mit–zu–wirken. Und – ganz konkret, ent- steht in mir Lust auf einen Austausch zu „sentire cum europa/Fühlen mit Europa“.
Es sind bewegende Gesten von weitsichtigen Politikern gewesen, die zu Versöhnung und Völkerverständigung in Europa beigetragen haben – wie die Umarmung von Charles de Gaulle und Konrad Adenauer in Paris, der Kniefall Willy Brandts in Warschau, Francois Mitterand und Helmut Kohl Hand in Hand in Verdun…
Jede/r ist eingeladen, die großen Gesten und großen Worte in all- täglichen Begegnungen durchzu-buchstabieren, sich an der Viel- fältigkeit der europäischen Menschen und Kulturen zu erfreuen und ein versöhnendes und fried-liches Miteinander zu gestalten.
Das ist Beziehungs–geschehen und trifft eine der wesentlichen Haltungen, zu der die ignatianischen Exerzitien motivieren.
D.Fleming: draw me into your friendship – the spiritual exercises – a literal translation& a comtemporary reading
Die Rede Charles de Gaulle’s an die deutsche Jugend: http://www.degaulle.lpb-bw.de/
politische Versöhnungskonzepte: http://www.bpb.de/themen/VBPEF4,0,0,Versöhnung.html
Für eine eher heitere Beschäftigung – z.B. In welcher europäischen Sprache sagt es sich am schönsten ‚ich liebe dich‘?: http://www.goethe.de/europaliste/
Beim Lesen der Tageszeitung fällt mein Augenmerk auf eine Veranstaltung, die die Erinnerung an den armenischen Völkermord, der sich im April zum hundertsten Mal jährt, wachhalten will. Die Grenzen zwischen Armenien und der Türkei und zwischen Armenien und Aserbeidschan sind geschlossen – Anerkennung des Völkermords und Versöhnung in einem kriegerischen Konflikt stehen noch aus.
Staunend lese ich, dass Armenien bereits im 3. Jh. n. Chr. eine christ- liche Nation ist, schaue auf grüne Hügel mit uralten Klosteranlagen, in der Ferne schneeige Hochgebirgs-spitzen, entdecke eine vielfältige Erinnerungs– und Trauerkultur und lausche den Klängen der Duduk, einem alten, dem Klang der Klarinette ähnlichen, Blasinstrument, aus Aprikosenholz geschnitzt, mit einem warmen, melancholischen Ton: es gibt heitere Tanz- melodien, alte liturgische Hymnen und – der Duduk weint– trauervolle Weisen zum Gedenken an die Ermordeten. „Doudouk – souffle divin accrochant a nos coeurs…ton appel infini est un puissant breuvage s’opposant a l’oubli“
Eine Hörprobe: http://www.youtube.com/watch?v=j3wUQhBjejk
Bilder und Text in der CD: songs from a world apart
Eine Hör-Probe von Djivan Gasparyan : http://www.youtube.com/watch?v=tA2YDXZRmOI
Eine Freundin besucht mich und bringt mir Bild und Meditations-heftchen des diesjährigen Hunger- tuchs mit und wir vertiefen uns in Film und Texte, die Misereor als Material- sammlung bereithält.
Der diesjährige Künstler DaoZi ist Chinese und vor einigen Jahren Christ geworden. Verbunden mit der chinesischen Tuschmalerei, die sich aus zen–buddhistischer und taoistischer Philosophie speist, hat er einen eigenen Stil gefunden, mit dem er „den Wesenskern der christlichen Botschaft“ ausdrücken will. Er verzichtet auf eine Illustration biblischer Geschichten – so kostbar und anregend auch diese Möglichkeit ist – und lädt ein zu einer Betrachtung von „Herz zu Herz“. Ich freue mich über die Brücke, die vor allem einer der Meditationstexte zur klassischen chinesischen Philosophie schlägt, in der auch die jesuitischen China-Missionare des 17. Jahrhunderts vertraute Anklänge zur Exerzitienspiritualität entdeckten.
R. Moufang findet heutige Worte um die großartige Sicht des Nikolaus von Kues „der coincidentia oppositorum – der Zusammenfall der Gegensätze“ neu zu sagen:
„…das Eine in Allem/die Vielen sind Eins/im Tode das Leben/Geheimnis des Seins“
Was verbindet taoistische Denker des 6. – 4. vorchristlichen Jahrhunderts, einen abend-ländischen Philosophen des Mittelalters, Jesuiten an der Schwelle zur Neuzeit und – vielleicht – auch uns heute? Es ist die Bereitschaft ein „entweder–oder–Denken/Denken in Gegensätzen“ zu lassen, weil ein „sowohl–als auch–-Denken/Denken in Verbundenheit“ als wirklichkeitsgerecht gesehen und als lebensspendend erlebt wird.
Oder – um es mit Ignatius zu sagen: „deus semper maior – Gott ist immer grösser“. Beim Schauen auf das Hungertuch stellt sich bei mir spontan die Erinnerung an eine Auferstehungsikone ein: Christus, der das Reich des Todes durch-schritten hat, hält einen Mann und eine Frau – die Ikonographie sagt „Adam und Eva“ – am Puls und zieht mit ihnen alle Eingeschlossenen ins Licht. Ungeachtet des Titels und der DaoZi leitenden Worte aus der Bergpredigt, sehe ich das mächtige und kraftvolle Aufleuchten des göttlichen Glanzes – im Leben und im Tod!
Bild und Text: http://www.misereor.de
Hinweis zur Ikone: http://www.oekumene-ack.de/fileadmin/…/Meditation_zur_Anastasis-Ikone.pd…
Beate Bleck