Robert Seidler, GCL-Mitglied aus München, schreibt von seinen Erfahrungen auf dem Franziskusweg:
Was vereint franziskanische und ignatianische Spiritualität? Mit dieser Frage im Rucksack gingen wir los – den Franziskusweg. Spätestens seit Papst Franziskus der Kombination der zwei Ordensgründer durch seinen Namen und seine Herkunft einen Schwerpunkt verliehen hat war dies auch für mich mit von Interesse.
Ursprünglich zu Dritt geplant mussten wir zu zweit aufbrechen, um auf Franziskus Pfaden uns den Apennin zu erwandern. Die Höhenmeter dieses Pilgerweges sind nicht zu unterschätzen. So hatten wir an der längsten Etappe von 28 km einen Höhenunterschied von 1300 m.
Zu zweit ging es also los und die erste Hürde, nämlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Startpunkt von La Verna zu gelangen, musste gemeistert werden. Man erlebte sich selbst in einen zockelnden Bus um die Kurven fetzen und mitten im „Nichts“ an einer Haltestelle aussteigen. Ehe man es sich anders überlegen konnte, sah man das Gefährt von Dannen ziehen mit der Gewissheit, dass dies der letzte Bus des Tages war. Nun ging es also von Bibbiena nach La Verna zum Ausgangspunkt des offiziellen Weges.
Dort angekommen (nach 800 Höhenmetern bergauf) durften wir schon das erste Highlight des Weges bestaunen. -ein Bergkloster mit sagenhafter Aussicht, alten, ehrwürdigen Gemäuern und spürbarer Vergangenheit. An diesem Ort wird der Stigmatisierung des Franz von Assisi gedacht. Die italienische Spiritualität will dort entdeckt werden: So findet im Kloster La Verna einmal pro Woche eine Stigmatisierungsprozession statt, bei der die Erlangung der Wundmale des Franziskus gefeiert wird.
An diesem Knotenpunkt treffen sich mehrere Wege: der Camino de Assisi, der Franziskusweg, der Franziskanische Friedensweg und der Via Roma. Manchmal überlappen –öfter kreuzen sie sich. Da ist genaues Hinsehen an den ständigen Wegbegleiter – den Tau gefragt. Die neu erschienene Kompas – Wanderkarte hilft hier auch sehr gut weiter. Grundsätzlich ist der Weg jedoch sehr gut mit Beschilderungen ausgestattet. Ebenso von Assisi nach La Verna kann man ihn gehen.
Mit La Verna erfährt man schon eine der „Perlen“ des Weges gleich zu Beginn. Es ist der Ort, an dem Franz am Ende seines Lebens starke Kämpfe durchleben musste. Bis nach Assisi sind da noch Sansepulcro, Gubbio (wo die Zähmung des bösen Wolfes geschehen sein soll) und die Einsiedelei Pieve de Saddi mit restauriertem Kirchlein zu nennen, an der sich eine Einsiedlerin rührend um die müden Pilger kümmert. Es kostete schier Überwindung, ein Pilgermahl anzunehmen, in dem Wissen mit welchen Mühen die Zutaten in diese Höhe geschafft wurden. Auch die Einsiedelei von Cerbaiolo – ein ganz besonderer Ort: In den 60-er Jahren entdeckt Chiara, eine Schwester der Piccola fraternita di Santa Elisabetta die Ruinen des kleinen Konvents, der im zweiten Weltkrieg gründlich zerbombt wurde und macht es zu Ihrem Lebenswerk, diesen Ort in einsamen 785 Höhenmetern als „einfaches“ Kleinod wieder erstrahlen zu lassen.
Und genau das macht diesen Weg aus: Die Liebe zur Einfachheit in der Einsamkeit. Wir wandern manchmal 1-2 Tage (gerade am Passo Viamaggio) und sehen nur ein oder zwei Menschen und dabei sind dies nicht einmal Pilger. Der Rhythmus der Schritte lässt die Denkmaschine „Kopf“ langsam in Richtung „standby- Modus“ fahren. So werden andere Kanäle frei, die vielleicht auch spirituelle Impulse ans Tageslicht lassen. Ein Gefühl entsteht – ein Gefühl für mich. Wir erleben ein ständiges Auf und Ab, Berg und Tal zwischen lärmenden Grillen, manchmal in Wolkenschwaden, laufen an kunstvoll blau blühenden Disteln vorbei, sehen auch einmal eine Schlange am Wegesrand flüchtend. Der Blick wird frei. Vielleicht ein „Reset“ auf dem Weg des Willkommenheißens der Lebendigkeit. Und das alles in einem ganz besonderen Licht dieser Berge. Die Einsamkeit dieser Wege lässt manchmal Zweifel aufkommen sich im dichtbesiedelten Europa zu befinden. Insofern ist dieser Weg eine echte und sehr interessante Alternative zur spanischen „Jakobs-Pilger- Autobahn“.
Freilich ist die Pilger- Infrastruktur nicht so gegeben wie beim Jakobsweg, darüber sollte man sich im Klaren sein. So muss man seinen Wasser-und Essensbedarf planen, es gibt keine klassischen Pilgerherbergen wie in Spanien. Man muss wechselnd in Klöstern, städischen Unterkünften (wie in Citta die Castella) , aber auch bei Bed & Breakfast – Unterkünften sich die Schlafplätze selbst zusammen suchen.
Nach 11 Tagen in Assisi angekommen, dem ersehnten Ziel sind wir beide mächtig überwältigt von den Eindrücken, sodass wir die drei Tage dort wegen dem Entzug an Hektik, Geschäften, Menschenmassen und vielem Sprechen gar nicht in dem ersehnten Masse genießen können, brauchen immer wieder Ruhepausen. Zudem sind Fußpilger in Assisi eher eine außergewöhnliche Spezies.
Wer sich nun inspiriert sieht, diesen Weg zu gehen, ein paar Tips am Wegesrand:
* Die ersten Tage des Weges ruhig unterhalb des Konditionsmaximums bleiben. Man muss sich erst an Höhenmeter und Gepäck gewöhnen.
* Bruder und Schwester Mücke können, gerade nach nächtlichen Regenfällen sehr aufdringlich sein. Deshalb an einen guten Mückenschutz denken!
* Die eine oder andere Unterkunft sollte langfristig vorreserviert werden, gerade an Orten, die eher einsam gelegen sind.
* Grundsätzliches reservieren der Unterkünfte einen Tag im Voraus ist Empfehlenswert
* wer genügend Zeit und Lust hat: man kann den Weg bis Rom ausweiten
* für weitere Inspirationen: „Der Franziskusweg“ von Angela Maria Seracchioli , 3. Auflage, Tyrolia-Verlag, oder: http://www.diquipassofrancesco.it
Doch was hat es nun mit der Eingangsfrage auf sich? Ich stellte sie mir einige Tage nach unserer Rückkehr nach München wieder. Ich habe sie für mich beantwortet: Die Reduktion verbindet beide Ordensinhalte. Die Armut im weltlichen (franziskanischen) aber auch die Zurücknahme des Ichs in den Exerzitien – im Schweigen (ignatianischen). Eine gute Kombination wie ich finde.
Wo das Schweigen wohnt,
lebt das Gebet,
brennt die Liebe
herrscht Friede
(Inschrift am Eremo von Cerbaiolo)
In diesem Sinne:
PACE E BENE
– der Franziskanische Friedensgruß
Robert Seidler, GCL-Gruppe „Unterwegs“, München